Der Preis des Nichtfühlens

Schon des Öfteren habe ich ja von der Idee geschrieben, dass wir uns (insbesondere zu Zeiten der Kindheit) von schwierigen Gefühlen trennen, abspalten, um diese nicht mehr ertragen zu müssen bzw. uns zu schützen. Diese Trennung lässt uns den Kontakt zum Leben im Hier und jetzt (diesen Zugang besitzen wir als Kinder in aller Regel noch) für sowas wie Schmerzlosigkeit opfern. Empfindungslosigkeit entsteht. Wir beginnen, das Leben auszuhalten. 

Das hat ein paar (so meine ich) fatale Auswirkungen. Kennen sie das auch?: 
Ich beginne, Öffnung mit Verletzbarkeit zu verwechseln,
Ich verliere meine Lebendigkeit (ich atme flach und kontrolliere mein Tun) 
(Eine Teilnehmerin in einem Coachingtag dazu : Ich dachte, ich lebe …), 
Ich fühle nicht mehr … was ich wirklich will, was mir (nicht) gut tut, was ich jetzt brauche, ich verliere den Zugang zu meiner Körperlichkeit, 
Auf Dauer bekomme ich die normale Depression (nach W. Bünting): Meine Augen verlieren dem Glanz, meine Sprache wird abwertend usw. 
Ich erlebe mich oft unruhig, unzufrieden, manchmal auch frustriert und aggressiv, 
Weil ich bestimmte Dinge nicht (frühzeitig) spüre, nehme ich sie dann erst wahr, wenn sie einen bestimmten Schwellenwert überschritten haben … mein Handeln beginnt sich auf „Richtiges“ zu stützen und manchmal tut es einem hinterher leid … 
Ich verliere (via Körper) den Zugang zur meist leisen Stimme meiner Seele. 
Ich verspüre (Sehn) süchte und kompensiere mit Essen, Alkohol, Sex, TV, Einkaufen usw. Es gibt einen Hunger nach …, den das alles andere nicht stillt … wo mein Tun Substitut (Ersatz) bleibt. 
Ich habe Angst, manchmal grundlos, meide Unsicheres – tendiere im Zweifelfall zum Sicheren … Und vieles andere mehr … 

Gestern im Coaching meinte eine Klientin zu mir: Manchmal möchte ich den ganz Scheiß hier hinter mir lassen und mich ins Flugzeug nach Tibet setzen … dort wäre ich frei(er) … und natürlich erkannte sie, dass sie (auch) die Unfreiheit ist und ihr die vermutlich auch in Tibet begegnen würde. Es geht darum, nach innen zu gehen und das zu „beFREIen“, was dort (manchmal schon lange) auf Erlösung wartet. 

Das ist am Angang manchmal mit altem Schmerz und Traurigkeit verbunden – aber es lohnt sich. Ihre Lebensfreude, Ihr ureigenstes Lied, Ihre Liebe warten darauf gelebt zu werden.  Und: wenn nicht jetzt – wann dann? All` das oben Genannte auf Dauer auszuhalten ist doch viel „schlimmer“, oder? 

Herzlichst Jürgen Weist 

P.s. Wie immer freue ich mich auf Kommentare, Entgegnungen usw. …  

  

 

 

 

 

*Ein Kommentar

One Response to “Der Preis des Nichtfühlens”

  1. heiko.hamacher
    Januar 30th, 2008 | 18:59

    Hallo Jürgen,

    dein Beitrag spricht mir gerade sozusagen „aus der Seele“. Ich kenne das sehr gut, lieber den „sichereren“ Weg zu gehen und nur ja nichts „falsch“ zu machen. Bei mir steckt die Furcht vor Vorwürfen von „anderen“ dahinter. Auch spüre ich manchmal bestimmte Handlungsimpulse (was ich gerade ganz spontan machen möchte) und oft kommt so eine Gegenimpuls – das paßt jetzt gerade nicht; du mußt jetzt andere Dinge machen; was sollen denn die Leute sagen-und ich erstarre im Kampf dieser „Hin -und Her-Reißenden“ Impulse.

    Wenn ich die Spontanität mal zulasse, geht es mir oft besser, aber nicht immer. Ich bin so aufgewachsen, daß immer nur das „Bild“ stimmen mußte, ja nicht auffallen und sich schämen sollen für alles Eigene, Ursprüngliche, Spontane.

    Es hat lange gedauert bis ich einigermaßen damit klarkam. Und jetzt gehts mal besser, mal schlechter.

    Tschüß Heiko

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