Projektion(en)

Psychoanalytische Definition Projektion:

In der Psychoanalyse zu den Abwehrmechanismen zählende, unbewusste Verhaltensweise, um sich vor seelischen Konflikten zu schützen. Hierbei wird ein eigener Triebimpuls in eine andere Person, in die Außenwelt verlagert.

“ Projektionen auf der Ego-Eben sind leicht zu identifizieren: Wenn uns eine Person oder etwas aus dem Umfeld nur informiert, projizieren wir vermutlich nicht. Wenn bei uns andererseits ein starker emotionaler Affekt hervorgerufen wird, dann besteht die Möglichkeit, dass wir Opfer unserer eigenen Projektion geworden sind.“
(Ken Wilber in: Taking Responsibility for the Shadow, S. 274)

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Amok

Deutschland steht unter dem Eindruck des letzten Massakers nahe Stuttgart.

 

Das Wort Amok kommt aus dem Malaiischen und bedeutet so viel wie „in blinder Wut angreifen“. Als ich gestern die Berichterstattung in den Medien verfolgte, sind mir ein paar Dinge aufgefallen:

 

1. Alle fragen nach dem Warum …

So verständlich wie verrückt. Bei der Suche nach den Ursachen scheitern monokausale Erklärungen. Meist spielen mehrere Faktoren eine Rolle …

Und – die Suche nach Ursachen drückt nur den Wunsch aus, das Phänomen begrenzen bzw. kontrollieren zu können. Aber – solche Menschen sind eben nicht kontrollierbar, sondern absolut unkontrolliert – eben das macht sie in Ihren Auswirkungen ja auch so gefährlich.

Bei den Erklärungen fiel mir auf, dass alle (auch Fachleute) aus ihrem Bereich heftigst auf den Täter projizieren … und eben Erklärungen (er)finden, die für sie, die Kommentatoren, einleuchtend sind. Sprachlosigkeit, Nichtwissen – ist eben nichts, was die Menschen schätzen, denn dann hat man ja die Dinge (Amokläufer) nicht voll im Griff.

 

2. Was drückt denn das Phänomen aus?

Bei einer Fernsehdiskussion fiel mir auf, dass immer in Kreisen debattiert wird: Computerspiel, Schulpsychologen … immer wieder die gleichen Ansätze. Als ein Schüler das Stichwort vom Schulstress lieferte, war das Thema nach fünf Sekunden wieder bei den Computerspielen. Auch Gewalt in der Gesellschaft, den Familien ist nicht wirklich ein Thema. Das heute in den Zeitungen erwähnte „verhungerte Kind“ fiel angesichts des Massakers gar nicht ins Gewicht. Wenn ich darauf projizieren würde, dann würde ich das Thema emotionale und seelische Verwahrlosung einmal gern diskutieren. Oder all`die alltäglichen Zwänge – die das Leben nach und nach ersticken. Zwang ist halt Gift für die Seele. Ich hörte in den letzten Tagen einen alten Vortrag von Erich Fromm, der vom nahen Ende der patriarchalischen Kultur sprach, weil in ihr die Regeln wichtiger sind als die Menschen. Im Übrigen ist Deutschland das Land nach den USA, in dem die meisten Amokläufe passieren …

 

3. Einige Worte aus der Berichterstattung:

(…) das muss bekämpft werden,

(…) dem müssen wir polizeiliche Gewalt entgegensetzen,

(…) wer trägt dafür die Verantwortung? (Wer hat was falsch gemacht?)

 

 

4. Was kann jeder/ ich tun?

Wir können uns fragen, was ist mit den kleinen Behinderungen des Lebens im Alltag. Wo spanne ich mich an, wo sorge ich für mehr Spannung in anderen oder in gewissen Situationen? Damit so angemessen, wie möglich umzugehen …

Spüren, wie gehe ich mit der Gewalt in mir um? Wie in anderen? Mitgefühl und Liebe sind anspruchsvolle Qualitäten, wenn man sie zum Leitsinn des Handelns macht. Und damit meine ich nicht nur immer nachgeben. Liebe kann auch töten – eben nur anders als Hass.

Sie könnten sich fragen, wie gewalttätig gehe ich mit mir selbst um. Wo zwinge ich mich immer wieder? Wie viel lebendigen Spiel-und Entfaltungsraum beherbergt mein Alltag? Für wen bin ich in welcher Situation ein Vorbild für was? Usw.

 

Stellen Sie sich einfach neue (wahrhaftige) Fragen. In jedem von uns steckt ein (potenzieller) Amokläufer!

 

Herzlichst

 

Jürgen Weist

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