Gespürtes Verstehen …

In seinem Buch „ Wege zum Selbst“ beschreibt Ken Wilber im Kapitel des Zentauren eine interessante Strategie zum Umgang mit den eigenen Körper(ver)spannungen.

Modellhaft beschreibt er körperliche Verspannungen als die Gleichzeitigkeit zweier Impulse auf körperlicher Ebene. Z.B. ein Teil der Körpers möchte Aggression ausdrücken, während andere muskuläre Einheiten genau diesen ersten Impuls hemmen. So entsteht eine Erstarrung, eine Art innerer Konflikt und Blockade, die viel Energie verbraucht, ohne dass Bewegung ( im doppelten Sinne) entstehen kann. Wer kennt nicht Menschen, die Ihre Aggressionen und Ärger „drin behalten“ indem Sie Spannungen in Hals, Kiefer und Schultern erzeugen.

Emotionen werden z.B. oft durch eine Blockade des Zwerchfells „beschnitten“, indem über das Zwerchfell die Atmung chronisch eingeschränkt wird. Während sie sich beherrschen,pflegen die meisten Menschen die Luft anzuhalten. Fragen Sie sich einmal, wie frei und tief ist meine Atmung normalerweise und wenn Sie können, wie ist meine Atmung in Streßsituationen ?

Jede Blockierung, jede Anspannung oder jeder Druck im Körper ist in diesem Modell ein muskuläres Festhalten irgendeines tabuierten Impulses oder Gefühls. Oder wie der Zen-Meister Graf Dürckheim in seinem Buch „ Der Alltag als Praxis“ ausführt sind diese Körpersymtome meist immer Hinweise auf fehlendes Vertrauen (Loslassen).

Also was kann ich tun, um mich in meinen Verspannungen besser wahrzunehmen? Der erste Schritt ist für die meisten Menschen schon ziemlich ungewohnt. Es beginnt damit, den Körper als Teil des Ich`s zu akzeptieren, also weg vom Kopfbewusstsein hin zum Bewusstsein des Zentauren ( ein Bild aus der griech. Mythologie: das Pferd mit dem Menschenkopf). Hin zur Einheit von Geist und Körper. Denn der Körper ist nicht der Ort für Schmerzen, sondern auch für (Lebens)Lust und er ist quasi unsere (Wahrnehmungs)Antenne zur Welt. Auf der Zentauren-Ebene würde Sie mit dem gleichen Gefühl sagen: ich bewege meinen Arm und ich schlage mein Herz.

Wenn Sie für sich einmal im Körper spüren ( nicht denken), dann es z.B. bei mir so, dass es Bereiche gibt, die ich schon gut spüren kann, während andere oft sehr angespannt und /oder kaum wahrnehmbar sind ( taub). Testen Sie doch einmal selbst. Wo können Sie leicht etwas spüren, wo ist es schwieriger und wo geht es kaum? Gibt es Unterschiede ? ( z.B. zwischen der linken und rechten Körperhälfte, zwischen der vorderen und dem hinteren Körperteil). Herauszufinden, wo Sie in Ihrem Körper noch nicht so gut zu Hause sind, ja, das ist ein erster guter Schritt.

Dann, wenn Sie Blockierungen und Anspannungen wahrnehmen, dann versuchen Sie sie bitte nicht sie loszuwerden oder zu entspannen. Ein interessanter Vorschlag zur Aufhebung und Lösung von Blockaden ist das folgende Vorgehen:

Sie tun einfach so, als geschähen Ihnen diese Anspannungen nicht unwillkürlich ( also quasi ohne oder gegen Ihren Willen), sondern Sie tun so, als wären die Verspannungen etwas, was Sie sich selbst aktiv antun ( was im übrigen mehr als eine Annahme ist, da an Verspannungen in der Regel nur sogenannte längsgestreifte Muskeln beteiligt sind, die dem Willen unterworfen sind).

Tun Sie weiter so, als hätten Sie nur vergessen, dass Sie selbst es sind, der die Muskeln an dieser Stelle anspannt. Es geht also weniger um die Frage:>>wie kann ich diese Verspannung loslassen?<< als um die Frage: >> wie kann ich erkennen, dass ich sie aktiv herbeiführe?<<. Das „Ent-Scheidende“ ist daher, wieder das Gefühl zu bekommen, wie ich diese Muskeln aktiv anspanne. Das erreichen Sie, indem Sie scheinbar widersprüchlich, diese besondere Spannung verstärken ( Prinzip des Amplifizierens). Indem ich die Spannung vorsätzlich halte oder leicht verstärke, wird mir meine Anspannung bewusst, anstatt unbewusst zu bleiben. Dieses dann entstehende durch und durch gespürte Verstehen setzt Energie aus dem Kampf der Muskeln frei. Wenn also z.B. eine Verspannung im Kiefer entsteht, dann fangen Sie langsam und mit Bedacht an, diese Spannung zu steigern, indem Sie z.B. Ihre Halsmuskeln anspannen und die Zähne fest zusammenbeißen. Während sie dies tun, können Sie sich daran erinnern, dass Sie nicht nur etwas anspannen , sondern gleichzeitig auch etwas daran hindern herauszukommen. Sie könnten sich innerlich oder laut sagen:>>Nein, ich will nicht! Ich leiste Widerstand!<< Dann entspannen Sie langsam und nehmen Sie bitte wahr: 1. dass Sie es sind, der die Spannung erzeugt, 2. und welches Gefühl auftaucht, wenn Sie nachlassen. Doch Achtung: a) wird die Blockierung aufgehoben, wird das frei, was hinter/ unter der Blockierung an „begrabenen Emotionen“ steckt, selbst wenn es nur ein paar kleine Tränen, etwas Wut oder ein ungehemmter Orgasmus ist. Dazu braucht es ein Stück Mut, Offenheit, Zeit und Bereitschaft. b) wenn Sie 15 Jahre gebraucht haben, um diese Blockade kunstvoll zu feiern und zu inszenieren, dann üben Sie sich bitte auch ein wenig in Geduld. 15 Minuten täglich über ca. vier Wochen reichen in der Regel, um eine bemerkenswerte Veränderung zu erzeugen. Was „schlimmstenfalls“ überbleibt, ist die Fähigkeit, sich vertieft „selbst zu empfinden“ und Dinge, die nicht steuerbar scheinen, als völlig normal zu akzeptieren. Also sich bewusst zu werden, das es in mir beides gibt, willkürliches und unwillkürliches, bewusstes und unbewusstes und das das Ich etwas ist, was im Falle des Zentauren beides und noch mehr umfasst. Oder anders gesagt, zu erleben, dass die Lebensvorgänge ansich Wonne und Freude erzeugen. Viel davon beim Ausprobieren ... VarianzTipp: Probieren Sie diese Strategie von der körperlichen auf die mentale Ebene zu übertragen. Wenden Sie alles , was Sie im Hinblick auf körperliche Spannung gelernt haben, auch auf mentale Spannungen ( Gedanken, Emotionale Reaktionen usw.) an. Erkennen Sie sich SELBST im Spiegel Ihrer aktuellen Dynamik.

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