(Heilsame) Entspannung durch rechte Haltung

oder Entspannung ganz praktisch (Tipps für einen leichteren Alltag).
Inspiriert durch einen Text von Will Johnson (Meditieren – in der richtigen Haltung / Herder Verlag) möchte ich Ihnen heute einige Ideen und Impulse zu Thema Haltung präsentieren – direkt als auch im übertragenen Sinne …

Entspannung ergibt sich aus der Fähigkeit unseres Körpers, sein Gewicht dem Zug der Schwerkraft frei zu überlassen. Dieses Prinzip eines genau in der Schwerkraft ausgerichteten Körpers trägt und stabilisiert z.B. Wolkenkratzer und hohe Bäume. Das Gegenteil ist, wenn unser Körper nicht in der Vertikalen ist. Dann müssen wir den Zug der Schwerkraft mittels Muskelkraft (festhaltend) ausgleichen.

Test: Neigen Sie einmal in Zeitlupe den Kopf nach vorn (Kinn auf die Brust) und erleben Sie, wie Sie zunehmend das Gewicht des Kopfes (ca. 4-5 Kilo) erfahren. Eine ähnliche Erfahrung sammeln wir z.B. auf der körperlichen Ebene (bewusst oder unbewusst), wenn wir uns (mental) an etwas klammern oder etwas ablehnen.

Zurück zum Bad in der Vertikalen. Wenn wir unseren Körper genau auf das Schwerkraftfeld (eine ansich neutrale Kraft) ausrichten, verwandeln wir die Qualität der Schwerkraft: Aus einer Kraft, gegen die wir ankämpfen und gegen die wir uns abstützen müssen, wird eine Kraft, die uns trägt, aufrichtet und uns Spannkraft (Levitation) schenkt. Sie werden selbst beim Ausprobieren bemerken, dass sich ein Gefühl der Entspanntheit in Ihnen ausbreitet, etwas Sie anhebt und dass sich Verspannungen und Verkrampfungen (nach dem sie zunächst bemerkt werden) lösen und Sie so in immer tiefere Bewusstseinsschichten eintauchen können. Oft stellt sich ein Gefühl von Weiträumigkeit, Klarheit und Ruhe ein. Diese Entspannung ist (für mich) synonym zu den Begriffen „Geerdetsein“ oder „Gegründet-Sein“ (der gesamte Körper wird zu einem Empfindungsfeld, dass sein Gewicht dem Zug der Schwerkraft unter seinen Füßen überlässt). Diese Haltung wird in der Literatur auch als Ganzkörper-Mudra der Wandlung beschrieben, mit heilsamen Auswirkungen Körper und Geist!

Doch nun drei kleine Übungen, um das Beschriebene zu erfahren:

Übung 1.:
Stellen Sie sich den Mittelpunkt der Erde (bildlich) vor. Richten Sie Ihre Körperstruktur im Zug der Schwerkraft so aus, als wenn Ihr Körper und seine Teile (die Rolfer benutzen das Bild der übereinander liegenden Bauklötze) fein in dieser Achse ausgerichtet ist.
Alternativen: Stehen, Sitzen, Bewegen, Abweichungen und Spannungen wahrnehmen und was immer Ihnen noch ein(ge)fällt. Probieren Sie spielerisch …

Übung 2.: (Kann Übg.1 ergänzen)
Setzen Sie sich auf einen Stuhl (ohne sich anzulehnen) und spüren Sie Ihre Sitzhöcker. Gibt es Körperteile, die anlehnungsbedürftig sind? Wo spüren sie ein Festhalten? Können Sie da entspannen und loslassen? Probieren Sie (wichtig!), ob es Ihnen möglich ist, die Knie ein wenig tiefer als Ihr Becken zu bringen. Wenn Sie alle Spannungen gelöst haben, dann beginnen sie mit leichten Pendelbewegungen (vor und zurück und dann von links nach rechts). Beginnen Sie mit weiten Pendelbewegungen und lassen Sie diese kleiner werden.
Sie werden einen „gewissen“ und deutlichen erkennbaren Punkt finden, durch den die Schwerkraftachse verläuft. Er fühlt sich zunächst (vielleicht) ganz eigentümlich an.

Übung 3:
Ganz leicht erleben Sie das Gefühl von Loslassen, wenn Sie sich flach auf den Rücken legen und sich genügend Zeit nehmen, um ganz zu entspannen. Gehen sie von den Füßen bis zum Kopf (Stück für Stück) durch Ihren Körper und erlauben Sie sich, die einzelnen Körperteile zu entspannen und Ihr Gewicht ganz an den Boden abzugeben. Oft fühlt es sich so an, als würden Sie an der oberen Körperseite leichter und am Rücken ein wenig schwerer.
Wenn Sie Ihre Spannungen loslassen und sich der Schwerkraft hingeben, werden Sie eine unmittelbare Veränderung der Tastempfindungen (ggf. als Ahnung oder Schimmer) im entsprechenden Körperteil erfahren. Verfeinern Sie immer wieder Ihre Haltung (innen und außen).

Bei allen Übungen kann es sein, das Sie anfangs ein leichtes Schaudern oder Zittern empfinden (manchmal auch mit Temperaturempfinden verknüpft), was meist ein Zeichen für Lösung ist.

Die nächsten drei Wochen werde ich diese Übung im Urlaub praktizieren, ich werde dann auch im Meer liegend (das Salzwasser trägt so gut!) üben. Ich wünsche Ihnen beim Spiel mit der Schwerkraft viel Leichtgefühl. Wir hören uns dann (mit dem nächsten Beitrag) wieder am ersten Oktoberwochenende.

Anregungen für ein dreiwöchtiges Trainingsprogramm:

Woche 1: nehmen Sie n u r wahr, wie Ihre Struktur normalerweise ist! Achtung: wichtig ist, absolut nichts zu verändern. Es geht ausschließlich darum zu spüren, wie Ihre übliche Haltung ist (z.B.: Was sind Ihre üblichen Neigungen?, wo in Ihrem Körper sind sie wie fest (Haltestellen)?, was können Sie gut/ nicht so gut spüren? Wo lehnen Sie sich wie an?, wo schmerzt es nicht einmal?) Je annehmender Sie mit sich in dieser Phase sind, desto mehr wird sich Ihr Körperbewusstsein entwickeln. Noch einmal: Nichts ändern, auch wenn die Versuchung manchmal noch so groß ist! Nehmen Sie (alles als) Ihr Potenzial wahr. Für „Fortgeschrittene“ als Kreativübung: Übersetzen (verwörtern) Sie doch mal Haltungsaspekte (körperlicher Art) in mentale Haltungen (z.B. jemand zieht die Schultern hoch und den kopf ein und übersetzt das ggf. mit „ich muß mich schützen…“.

Woche 2: Sie tun immer noch nichts. Im Sinne Freuds („Denken ist Probehandeln“) lade ich sie diese Woche ein, nur an die rechte Haltung zu denken, körperlich nichts zu ändern. Bilden Sie sich vielleicht ein (das Bild hilft mir beispielsweise), dass Ihre Füße Kontakt zur Erdmitte haben und das Ihr Hinterkopf ganz sanft den Himmel berührt. Diese Woche nur an die Haltung denken, nicht mehr und nicht weniger.

Woche 3: Jetzt endlich … auch körperliche Veränderungen und Ausrichtungen antesten, was passiert, wenn Sie aufrecht in der Welt sind, gehen usw. (Jetzt im Sinne Piagets: „Handeln ist auch Denken“).

Viel Spaß beim „Aufrichtig sein“ …

Herzlichst

Jürgen Weist

P.s. Gute Quellen für mehr Körperbewusstsein sind meist auch Ratgeber zum Thema Feldenkrais (funktionale Integration), Rolfing (strukturelle Integration) und der Alexandertechnik. Auch zum Stichwort Breema und in der Literatur zum Thema Kampfkünste werden Sie oft fündig (z. B Tai Chi, Aikido, Qi Gong).

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Ich suche (vorübergehend) das Weite …

Ich bin jetzt bis Ende September im wohlverdienten Urlaub und werde den nächsten Beitrag dann wieder am ersten Oktober-Wochenende veröffentlichen. Vielleicht sind Sie schon jetzt ganz neugierig …?

Herzlichst

Jürgen Weist

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