Vor kurzem fragte jemand mich, was ich denn unter dem Ego verstünde. Die beste Antwort, die ich je fand, war die, wenn Sie im Supermarkt an der Kasse stehen und warten, dann ist es ihr Ich, das weiß, wo es gerade ist, dass Sie an der Kasse gleich Geld brauchen usw. Der Teil jedoch, der gerade feststellt (schon das Wort passt sehr gut), dass alles wieder viel zu langsam läuft und dass heute sowieso wieder viel zu viele Leute vor Ihnen dran sind, das ist Ihr Ego.
Es begegnet Ihnen insbesondere dann im Alltag, wenn Sie in auf unterschiedlichsten Ebenen Widerstand leisten. Bei mir sind es scheinbar ganz normale Dinge, die mich aus der inneren Balance bringen, wie z.B.
· mich ärgern,
· mich sorgen,
· ängstigen,
· etwas oder jemanden ablehnen,
· etwas bewerten und beurteilen,
· an etwas zweifeln.
Es ist dann nicht die Sorge an sich, sondern die Tatsache, dass ich mich vergesse, mich aus der Balance bringe, die Haltung, den inneren Frieden scheinbar verliere …
Diese mentalen Anspannungen haben Ihre körperlichen Geschwister.
All das ist nicht neu, ich habe es wiederholt auch schon in diversen Beiträgen sowohl mental als auch körperlich beschrieben. Heute möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf folgende Weise einladen:
Nutzen Sie diese verschiedenen Formen des Widerstands als Begegnungsstätten mit sich selbst. Verfallen Sie bitte nicht gänzlich Ihrer emotionalen Reaktion, seien Sie nicht komplett Ihr Ärger usw., sondern schaffen Sie den zunächst kleinen Freiraum zu spüren, was da gerade abläuft (oder versuchen Sie, den Punkt der Wahrnehmung dessen, was ist, zeitlich immer näher an das Geschehen zu bringen). Bis Sie sich irgendwann ärgern und gleichzeitig merken, dass Sie es gerade genau jetzt tun.
Das ist ein bisschen so, als wäre man noch da, während es passiert. Als wäre man Zeuge des Geschehens, ohne es zu bewerten, ohne wegzuschauen – man ist da, während es passiert.
Genau zu diesen Zeiten, an diesen (Widerstands)Stellen, können Sie Ihr Ego (wenn Sie es möchten) Schicht für Schicht wieder (ab)tragen. Ganz einfach, indem Sie da sind und bleiben – bei sich bleiben und spüren, was in Ihnen ist. Die etwas Fortgeschrittenen nutzen das, um sich genau dann anzunehmen du sich in sich selbst hineinzuentspannen. Sich an den Stellen, wo man außer sich ist, wieder anzunehmen. Das sind die Schritte der Heimkehr in die eigene Wesensmitte.
Tipp: (das Zitat fand ich heute im Newsletter von Norbert Kasper)
Von Carl Gustav Jung stammt folgende Erkenntnis:
„Wir können etwas nicht verändern, solange wir es nicht akzeptieren.
Ein Schuldspruch ist keine Befreiung, sondern eine Unterdrückung.“
Betrachten Sie Ihr Problem, Ihren Schmerz doch einmal als eine Art Raum, die Sie nur dann wirklich ganz betreten dürfen, wenn Sie nicht in feindlicher (kämpferischer) Absicht kommen. Wenn Sie nichts verändern wollen – unschuldig kommen, als Freund, dann wird man Ihnen gern Einlass gewähren. Klingt ungewohnt, oder? – probieren Sie es aus!
Dann entsteht eine körperlich-seelische Reinigungsphase, die zu Beginn sogar noch eine Erstverschlechterung (als Zeichen der Besserung) bewirken kann. Und bitte … je größer Ihr Widerstand – desto sensitiver sollte Ihr Eigenumgang mit sich sein (natürlich können Sie das -gleichzeitig- auch mit anderen Menschen üben). Und, was mir gerade deutlich wird, Schmerz kann wunderbar sein. Nämlich als Hinweis darauf, dass das Leben in einen „bishierher“ völlig blockierten Bereich zurückkehrt. Als (Körper) Hinweis darauf, genau dahin zu spüren und so bei sich zu sein.
Zwei Warnungen:
Mein Ego hat die Gewohnheit entwickelt, alle guten Ideen nach nur kurzer Zeit zu adaptieren. Sie merken es z. B daran, dass Sie die Ideen dieses Artikels gezielt und absichtsvoll nutzen wollen („jetzt will ich mein Ego abbauen …“). Sie können sicher sein, dass diese Haltung eher verstärkend wirkt. Man kann eben nicht loslassen wollen …;-))) Probieren Sie: Aufgabe im Sinne von „ich gebe auf“ zu verwirklichen. Womit mein Ego nicht so gut umgehen kann, sind Aspekte wie: Nichts-Tun, Fassungslos sein, keine Idee/Ahnung haben, einfach nichts denken usw.
Dann „krieg ich mich meistens wieder ein“.
Machen Sie sich mit der Idee vertraut, dass diese Art Reinigung nicht irgendwann fertig ist, vielleicht geht sie bis an Ihr Lebensende, als Teil geistigen Lebens in einer materiellen Umwelt. Praktisch, wie Nahrung, die wir zum Teil aufnehmen, einen anderen Teil unverdaut wieder ausscheiden, um aufnahmebereit zu bleiben.
In diesem Sinne nutzen Sie auch diesmal von meinen Ideen, nur diejenigen, die für Sie schmackhaft und gut verdaulich erscheinen …
Wie immer freue ich mich auf Ihre Reaktionen und besonders gerne auf Ihre Erfahrungen im Umgang mit sich selbst.
Bis zur nächsten Woche …
Herzlichst
Jürgen Weist
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