In den letzten Tagen drehten sich in meinem Alltag viele Gedanken, Gespräche usw. um eine Qualität, die man Weichheit, Einfühlsvermögen oder Mitgefühl nennen könnte. Etwas mit Gefühl machen … (pragmatisches Mitgefühl).
Was mir immer „klarer“ wird, ist, wenn ich mich anstrenge, dann übe ich (subtile) Gewalt aus. Gegen mich und andere. Meist kann ich dann innerlich den Verlust eines bestimmten Kontaktes spüren und aus dem Verlust entsteht ein Gespanntsein (Unwohlgefühl). Was in solchen Fällen (meiner Erfahrung nach) Sinn stiftet, ist, ganz „einfach“ damit zu sein (in Kontakt zu gehen).
Zurück zur Weichheit. Viele haben Angst davor, weil Sie meinen, damit im Alltag Schiffbruch zu erleiden. Das ist nicht falsch aber auf keinen Fall richtig. Im Aikido habe ich bei mir und anderen die Erfahrung gesammelt, dass wenn Menschen Ihre Anspannung losließen, dass dann oft nur völlige Schlaffheit entstand. Tonus war nur in einem Maße von ganz doll oder gar nichts möglich. Wenn Menschen dann Ihre gewohnte Anspannung loslassen und dann gar nichts mehr da ist, dann ensteht natürlich Angst, z.B. die den Ansprüchen, Angriffen des Alltags und der Welt nicht begegnen zu können.
Test: Schauen Sie einmal in die Handfläche Ihrer „Haupthand“ und lassen Sie sie einmal so weich wie möglich werden. Dann –im Zeitlupentempo- ballen und spannen sie Ihre Hand zur Faust … und lassen Sie dann wieder ganz weich werden. Spüren Sie den gesamten Zyklus von (Ent)Spannung. Von der Formlosigkeit zur Form und zurück.
Leben findet genau in diesem Raum statt. Zu viel Form ist Erstarren und bedeutet Tod; zu wenig Spannung ist Chaos und bedeutet Tod durch Auflösung. Kultivieren Sie das „Dazwischen“. Die Art von Spannung oder besser Tonus, die gerade (der Situation) angemessen ist.
Und noch etwas: die Weichheit, von der ich heute spreche ist auch eine große Stärke, eben nur keine Härte. Folgendes Bild soll es verdeutlichen: manche Menschen gleichen Flüssen, die an der Oberfläche sehr bewegt sind, da gibt es Strudel, Stromschnellen, viele Wellen usw … und dann sind da noch diese breiten Ströme, die sich an der Oberfläche ganz langsam und gleichförmig bewegen und deren tiefe Kraft (in der Tiefe) deutlich spürbar ist.
Eine andere Metapher: was ist mehr angreifbar: ein Eisblock oder ein Teich? Schlagen Sie doch einmal mit einer Axt auf einen Eisblock bzw. die Teichoberfläche. Verstehen Sie den Unterschied ? Keine Angst, nur der Übergang ist halt blöd, wenn der Eisblock zu tauen beginnt. Unverletzbar sein? Selbst Siegfried hatte seine verwundbare Stelle auf dem Rücken und Achilles seine Ferse …Unverletzbarkeit …ich glaube das ist eine alptraumhafte Illusion. Jeder Kämpfer weiß, dass die Bewegungen des Gegners seine Schwachstellen (in dem Verbergenwollen) verraten.
Also … lautet das heutige Credo: ein maximal einfühlsamer und beweglicher Teil hat das Potenzial dem (Gesamt)System seine Richtung zu geben.
Glauben sie nicht? Probieren Sie es aus! Probieren Sie es in maximal weicher, entspannter Haltung. Fragen Sie sich stets: Wie könnte ich es noch einfühlsamer, weicher …tun?
Den Lohn werden Sie nicht nur in Ihren äußeren Beziehungen ernten, auch im Selbstgefühl wird sich dann einiges verändern … versprochen.
Wie immer freue ich mich auf Ihre Nachrichten, Ideen und Meinungen.
Herzlichst
Jürgen Weist
Keine Kommentare