27.07.2003
Nur für diesen Moment …
Oft verblüffe ich Menschen mit dem Hinweis, Sie hätten gar kein Problem. Und sie bräuchten sich überhaupt nicht verändern. Siehe auch Artikel vom 19. Juli.
Dazu passt das Ideal vom unaufhörlichem Werden. Klar gibt es auch in mir einen Persönlichkeitsanteil, der endlich ein genialer Berater, ein bewunderter Aikidoka und überhaupt … sein möchte. Endlich etwas erreicht haben.
Aber mehr und mehr werde ich mir deutlich, wie im besten Sinne „verrückt“ das ist ! Nichts bleibt so, wie es ist – alles ist in steter Veränderung bzw. Bewegung. Ich glaube Epiket hat mal gesagt: „ man kann nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen“.
In der Bibel ( Matthäus Kapitel 6 Vers 34) steht: „ darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat.“
Meine Interpretation ist noch eine Nummer kleiner: meistere (nur) diesen Moment – nicht mehr und nicht weniger.
So, wie man nur schlecht auf Vorrat Luft holen oder schlafen kann, ebenso schlecht gibt es die Chance andauernd etwas „sein“ zu können ( oder zu müssen).
Okay, ich bin mir bewusst wie sehr das mit Ideen der Kontinuität und Sicherheit kollidiert. Keine Versicherung, keine Garantie, wenig Stabilität, keine Sorgen, keine Reaktionen. Was für ein Gefühl macht Ihnen das ?
Vielleicht ist die Unsicherheit die einzige Sicherheit und Kontinuität gibt es nur in der laufenden Veränderung. Wenn das Leben keine Bewegung ist, was dann ?
Selbst scheinbar stabile Aspekte ( wie z.B. ich lebe, bin männl. Geschlechts usw.) hatten zu unterschiedlichen Zeiten und Kontexten in meinem Leben eine ganz unterschiedliche Gestalt. Das gilt auch für gesellschaftlich vereinbarte Dinge ( siehe Diskussionen über Renten, Lebensarbeitszeiten usw.).
Also … meine Einladung ist: sinnen Sie doch einmal so über Ihre Pläne und Visionen nach. Und vielleicht kennen Sie diesen Witz schon: wie bringt man Gott zum Lachen? Erzähle ihm von Deinen Plänen … .
Empfehlung:
Probieren Sie einmal ( einen Tag, eine Stunde ), wie es ist, wenn Sie präsent sind – nur für diesen (laufenden) Moment. Ruhig in einfachen Dingen, wie Essen, Luft holen, Türen öffnen, sich entleeren, Reden usw.. Wenn Sie dies einfach so meistern, so das Ihr Wesen ( Ihr Sein) in Ihrem Tun durchschimmert.
Klar ist das auch verrückt, ich weiß. Zugleich bin ich davon überzeugt, dass ein solches Verhalten sinnstiftender ist als als meist übliche Tun. Viktor Frankl ( der Begründer der Logotherapie) spricht nicht umsonst von der neurogeenen Psychose – dem Leiden am sinnentleerten Leben).
Wie immer empfehle ich Ihnen, es einfach mal zu probieren- nur einen Moment lang. Was kann Ihnen mehr passieren, als das Sie sich nicht verändern …;-)))
Jürgen Weist, 27. Juli 2003, Allgemeines