Grundformen der Angst

Ich habe gerade den analytischen Klassiker (37te Auflage) von Fritz Riemann gelesen. Er beschreibt vier Grundbestrebungen des Menschen sowie die daraus hervorgehenden Ängste. Diese Ängste sind historisch und kulturell übergreifend. Sie ändern allenfalls das Objekt der Angst (früher: Gewitter – heute Bakterien). Diese Grundtendenzen haben durchaus ihre Auswirkungen auf Beruf, Partnerschaft und Gesundheit.
Anbei eine kurze Übersicht der Typologie, die nur modellhaften Charakter hat:

Der depressive Mensch:
Die Erde umkreist die Sonne. Das Zentrum der Rotation liegt außerhalb der Erde, genau dieser Effekt tritt auch bei einigen menschlichen Persönlichkeiten auf: Sie rotieren im übertragenen Sinne um andere Menschen herum. Dabei versuchen Sie, die Rotation um sich selbst so weit wie möglich zu unterbinden. Diese Menschen sind im weitesten Sinne als GRUPPENMENSCHEN zu bezeichnen. Die zugrunde liegende Angst ist die Angst vor der Selbstwerdung, die als Ungeborgenheit  und Isolation erlebt wird. Die gefühlsmäßige Trennung von seiner sozialen Umwelt, als Einsamkeit, bedeutet für ihn einen kleinen Tod.

Der schizoide Mensch:
Die Erde rotiert um sich selbst und hat somit das Zentrum der Rotation in sich. Übertragen auf die menschliche Psyche bedeutet dies, dass der betroffene Mensch mit seinen Gedanken und Gefühlen um sich selbst kreist; dabei versucht er die Rotation um andere Menschen so weit wie möglich zu vermeiden. Hier finden wir häufig EINZELGÄNGER. Seine typische Grundangst liegt darin, dass er sich vor Selbsthingabe fürchtet, die er als Ich-Verlust und Abhängigkeit erlebt. Ein Ich-Verlust bedeutet für ihn nichts anderes als ein psychologischer Tod.

Der zwanghafte Mensch:
strebt die Dauer an, möchte sich in dieser Welt häuslich niederlassen und die Zukunft planen. Seine Wunsch ist eine feste, verlässliche Zukunft. So wie die Zentripetalkraft möchte er alles verdichten, auf das es sich nicht mehr bewegt, damit Stabilität gegeben ist. Seine Angst betrifft die Vergänglichkeit, das Irrationale und Unvorhergesehene. Alles Neue ist für ihn ein Wagnis und planen ins Ungewisse ein Greul. In seinem Erleben ist die Vergänglichkeit gleich einem Tod.

Der hysterische Mensch:
Er ist immer bereit sich zu wandeln, Veränderungen und Entwicklung zu bejahen, Vertrautes aufzugeben und alles nur als einen Durchgang zu erleben. Das Neue hat für ihn einen unwiderstehlichen Reiz, das Unbekannte zieht ihn magisch an. Damit verbunden ist die Angst vor Ordnung, Notwendigkeiten, Regeln und Festlegung. Sein Freiheitsdrang schlägt um in die Angst vor dem Tod als Erstarrung.

Um Unterschiede in Kommunikation und Beziehungen zu verstehen, wurde das Riemann-Thomann-Modell entwickelt. Dabei lassen sich vier menschliche Grundausrichtungen beobachten:
1. Das Bedürfnis nach Nähe (Kontakt, Harmonie, Geborgenheit)
2. Das Bedürfnis nach Distanz (Unabhängigkeit, Ruhe, Individualität)
3. Das Bedürfnis nach Dauer (Ordnung, Regelmäßigkeit, Kontrolle)
4. Das Bedürfnis nach Wechsel (Abwechselung, Spontanität, Kreativität)

In zwischenmenschlichen Begegnungen werden meist ein bis zwei Bedürfnisse aktiviert, die dann als Unterschiede zwischen den Personen deutlich werden. Je nach Grundausrichtung sind dann bestimmte Motivationen (Bedürfnisse) und „Lebensphilosophien“ vorherrschend und zeigen sich dann im jeweiligen Verhalten.

                                                             DAUER

                         NÄHE                                                            DISTANZ

                                                          WECHSEL

Welche Grundstrebung ist die bei Ihnen vorherrschende? Was meinen Sie?
Welche ist die am wenigsten Gelebte?
Was würde passieren, wenn sie alle diese Strebungen variabel leben könnten?
Wo ängstigen Sie sich? Wenn was nicht gegeben ist?
Wie könnten Sie sich die Gegenkraft/-richtung integrieren?

Wie immer viel Freude beim Nachspüren  bzw. -sinnen …
Herzlichst
Jürgen Weist
 

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